Internetrecherche im Bewerbungsverfahren: Google als Berater nutzen?
In Zeiten des Fachkräftemangels dürfte der Eingang einer Bewerbung zunächst eine freudige Reaktion beim Apothekeninhaber mit sich ziehen.
Nach Durchsicht der Bewerbungsunterlagen mag es auch naheliegen, das Internet nach dem Bewerber zu befragen. „Das Internet vergisst nie“ und so mag es denklogisch richtig sein, an dieser Stelle Recherchen anzustellen. Warum dies rechtlich nicht unproblematisch ist, entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) in zweiter Instanz, Urteil vom 10.04.2024, Aktenzeichen 12 Sa 1007/23. Ob das Urteil in dritter Instanz aufrechterhalten wird, bleibt abzuwarten.
Was war passiert?
Der Entscheidung in zweiter Instanz ging folgender Sachverhalt voraus: Ein Bewerber, von Haus aus Jurist, richtete eine Bewerbung auf eine Stellenanzeige, in der eine Universität, als Körperschaft des öffentlichen Rechts, einen Juristen zur Mutterschutz- und Elternzeitvertretung suchte. Es kam zum Vorstellungsgespräch, zu welchem die Vertreter des Arbeitgebers einen Auswahlvermerk anfertigten:
„Aus öffentlich zugänglichen Quellen ist zu entnehmen, dass Herr Y bereits erstinstanzlich wegen gewerbsmäßigen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt wurde (…) Der Vorwurf lautete, Herr Y habe vielfach fingierte Bewerbungen eingereicht, um potenzielle Arbeitgeber anschließend wegen angeblicher Diskriminierung zur Zahlung von Entschädigungen nach AGG zu veranlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Herr Y hat hiergegen Revision beim BGH eingelegt. Der Sachverhalt ist ein solch negativer Aspekt, der in gebotener Weise bei der Besetzung der Stelle (…) zu berücksichtigen ist (…) Aus diesen Gründen wird Herr Y als nicht geeigneter Bewerber bewertet.“
Es kam dann zur Absage des Bewerbers, woraufhin dieser darum bat, dass ihm die zugrundeliegende Dokumentation des Bewerbungsverfahrens zur Verfügung gestellt werden solle. Mit der Begründung, dass dies nicht möglich sein, ließ sich der abgelehnte Bewerber nicht zufrieden stellen. Vielmehr richtete er im Nachgang einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DSGVO an die Universität. Im Zuge dessen wurde ihm unter anderen der Auswahlvermerk vorgelegt. Hiergegen wandte sich der Bewerber und klagte letztlich auf Entschädigung und auf Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns aufgrund der Nichteinstellung. Er führte u.a. aus, dass hier im „Internet geschnüffelt“ worden sei und dies der Grund der Nichteinstellung gewesen sei. Aufgrund seiner fachlichen Fähigkeiten sei er besser geeignet gewesen, als jene Bewerberin, die letztlich auf die Stelle besetzt wurde. Hiergegen führte die Universität aus, dass der Bewerber das Anforderungsprofil nicht in dem Maße erfüllt habe und die Internetrecherche lediglich ein Grund, aber nicht der entscheidende zur Ablehnung gewesen sei.
Wie entschied das LAG?
Der Klage wurde nur teilweise stattgeben: Die Universität ist verpflichtet, dem Bewerber 1.000,-- € Entschädigung zu leisten, aufgrund dessen, dass sie ihm nach den Vorschriften der DSGVO nicht die Mitteilung darüber machte, dass sie Internetrecherchen angestellt hatte. Darüber hinaus wurde die Klage abgewiesen.
Worin lag der Anspruch begründet?
Das LAG führt aus, dass die anlasslose Internetrecherche im Bewerbungsverfahren grundsätzlich nicht erfolgen darf. Wenn es die Notwendigkeit gibt, die Eignung des Bewerbers auf die ausgeschriebene Stelle zu prüfen und es zudem konkrete Anhaltspunkte gibt, die für eine solche Notwendigkeit sprechen, dann ist eine Internetrecherche grundsätzlich gerechtfertigt. Entscheidend wird also auf den konkreten Anlass abgestellt.
Das LAG stützt den Anspruch auf Entschädigung letztlich auf Art. 14 DSGVO. Hiernach besteht eine Informationspflicht, wenn personenbezogene Daten nicht bei der betroffenen Person selbst erhoben werden. Dieser Informationspflicht war die Universität nicht nachgekommen. Erst im Rahmen des Auskunftsanspruchs hatte der Bewerber die Information erhalten.
Was bedeutet dies konkret in der Umsetzung?
Eine Internetrecherche ist grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn es einen konkreten Anlass hierfür gibt.
Eine solche Recherche führt allerdings in der Regel die Pflicht zur Information/ Mitteilung gegenüber dem Bewerber mit sich. Die Nichterfüllung dieser Pflicht kann Entschädigungszahlungen nach DSGVO mit sich ziehen. Inwieweit hier allerdings Theorie und Praxis, zumindest abseits von öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern voneinander abweichen, mag dahingestellt bleiben.
Fazit: Der Datenschutz wird selbstverständlich auch im Bewerbungsverfahren großgeschrieben und fordert zumindest ein Bewusstsein dessen, welche Pflichten hiermit einhergehen.